Arash Mortazavi Tabatabay
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Say hello to Arash.
PHOTOGRAPHER Jasmin | WRITER Svenja
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Schwarze, gelockte Haare, die zu einem Pferdeschwanz gebunden sind und mit einem breiten Grinsen im Gesicht: So empfängt uns ARASH MORTAZAVI TABATABAY im Black Delight in Hamburg. Er sitzt lässig in Jeans und schwarzem Shirt mit Anti-Religions-Spruch-Aufdruck auf einem der eher unbequem wirkenden, aber dennoch ausgesprochen komfortablen Hochstühlen in dem kleinen Café. Vor ihm eine kleine weiße Tasse, aus der Dampf aufsteigt.
A Friends Tale: Hej Arash, was trinkst du da?
Arash Tabatabay: Cortado. Das ist ein Tick mehr, oder nein, ein Tick weniger als Cappuccino an Milch, aber deutlich mehr als ein Macchiato. Das ist sozusagen ein bisschen kompakter vom Geschmack. Das ist der Blend 31.
Du bist 1987 nach Deutschland gekommen. Direkt nach Hamburg und immer hier geblieben?
— Genau, nie weg gewesen.
Das ist interessant. Du hast viele verschiedene Arbeitgeber gehabt, aber hast nie die Stadt verlassen?
— Es waren 24 verschiedene Arbeitgeber. Und zudem in verschiedenen Branchen. Vom Architekturbüro bzw. Ingenieurbüro bis hin zum Obstladen. Das war mein erster Job als Verkäufer, während der Schule.
Wo genau bist du aufgewachsen, also hier in Deutschland?
— In Farmsen. Erst waren wir in Volksdorf, für ein halbes Jahr ungefähr und dann sind wir nach Farmsen umgezogen. In Farmsen habe ich etwa neun Jahre gelebt. Das ist so ein Mini-Getto.
Warum?
— Damals gab es diese ganzen Mini-Banden. Von Stadtteil zu Stadtteil. Und in Farmsen gab es diese Ecke, die nannte sich WTK. Es gab WTK 1, 2 und 3. Ich war nie in diesen Gruppen (lacht). Aber ich kannte ein paar, die dazu gehörten. Und WTK stand für Weissenhofer TerrorKids. Weissenhof hieß die Straße. Mein Papa war so gut und hat mich davon ferngehalten. Ich bin ganz gemütlich aufgewachsen. Dann sind wir noch einmal umgezogen und mit 22, 23 bin ich dann ausgezogen.
Wohin?
— Nach Othmarschen.
Sooo, Othmarschen?
— (lacht) Genau, von da bin ich dann in die Ecke Landungsbrücken, Neustadt gezogen. Da war ich dann für zwei Jahre. Und von da bin ich nach Eimsbüttel und da wohne ich jetzt seit vier Jahren.
Wir driften ab und landen bei Mietpreisen und wunderschönen Loft-Wohnungen, die aber bisher nur ein Traum sind, oder die man während der Arbeit mal kennengelernt hat.
Wie bist du eigentlich auf den Kaffee, nennen wir es mal, aufmerksam geworden?
— Kaffee an sich stellt einen Prozess dar. Einen Entwicklungsprozess. Und etwa so hat es sich auch bei mir entwickelt. Diese Entwicklung, beziehungsweise dieses Einleben in die Kaffeewelt. Meinen ersten Macchiato habe ich 2006 gemacht. Davon gibt es sogar ein Foto. Das war in der Nähe von Othmarschen in einem Restaurant, in dem ich gearbeitet habe. Da habe ich meine erste Erfahrung an einer Siebträgermaschine gemacht.
Und dann ging es los?
— Nein, da habe ich zwar meine erste Erfahrung mit Kaffee gemacht, aber es hat dann noch ein wenig gedauert. Aber obwohl ich da meine ersten Erfahrungen gemacht habe, habe ich in dem nächsten Laden, in dem ich gearbeitet habe, gesagt: „Ey, ich mach den besten Cappu.“ Jetzt muss ich selber schmunzeln. Das war an den Landungsbrücken und hieß damals Frau Hedwig und Herr Paul und heißt jetzt Bairro, was auf portugiesisch Nachbarschaft heißt. Wenn ich jetzt daran denke, hätte ich mir selbst damals einen über den Kopf gezogen und gesagt: Ey, du kannst es nicht. Lass es.
Gab es denn etwas, einen bestimmten Punkt, an dem du gemerkt hast, das ist dein Ding?
— Das war, wenn ich mich nicht irre, 2011 als die Barista Meisterschaften in Hamburg im Elbgold stattgefunden haben. Und zu dem Zeitpunkt habe ich noch in der Bullerei gearbeitet. Damals habe ich es zwar mitbekommen, aber leider zu spät, sonst hätte ich mir freigenommen, um alles zu beobachten. Ich bin immer direkt nach Feierabend hin. Da waren die Competitions schon fast immer zu Ende, aber ich habe ein paar Kontakte sammeln können, Leute kennengelernt und Blut geleckt. 2012 habe ich dann kurz an einem Stand als Barista gearbeitet und habe dann die Möglichkeit bekommen, an einer Jam teilzunehmen.
Was genau können wir uns unter einer Jam vorstellen?
— Da treffen sich kurzfristig Baristi und veranstalten eine Mini-Barista-Meisterschaft. Ich habe mich angemeldet, obwohl ich noch nie Erfahrung in diesem Sinne gesammelt hatte. Es gibt bestimmte Kriterien, die du erfüllen musst. Ich war nervös und habe gezittert. Aber letzten Endes war ich dann wirklich erfreut, genauso viele Punkte gemacht zu haben, wie die Barista Meisterin von 2003 (lacht).
Wonach wird bei so einer Meisterschaft, einer Jam, denn bewertet?
— Nach Geschmack, dem Feintuning. Es ist fast so, als würden die Juroren jedes einzelne Korn zählen. Auch nach Sauberkeit. Stell es dir so vor: Jeder hat einen Tresen und davor sitzen vier Juroren. Zwei Juroren, die bei dir hinter der Maschine stehen und dann nochmals ein Juror, der die anderen Juroren beobachtet und korrigiert, dass die auch ihre Arbeit richtig machen. Also insgesamt sieben.
Dann wird die Technik bewertet, wie du an der Maschine arbeitest, wann du den Lappen benutzt, wann du die Shots ziehst. Du musst wirklich ganz präzise arbeiten. Auch wie du das Mahl runter ziehst, von der Mühle. Dann, ob du erkennst, ob der Kaffee richtig läuft, wie er läuft und wie die Crema aussieht. Und der Geschmack ebenso. Du musst dann den Cappuccino mit demselben Espresso machen. Während du diese ganzen Schritte machst, musst du auch noch erzählen. Insgesamt hast du 45 Minuten Zeit, 15 Minuten für die Vorbereitung, 15 Minuten für die Zubereitung und 15 Minuten abräumen und sauber machen. Wenn du die 15 Minuten deiner Präsentation überziehst, gibt es Punktabzüge. Wenn du überall die volle Punktzahl holst, musst du unbedingt in der Zeit bleiben. Das ist schon echt crazy.
Was erzählt man bei einer Jam?
— Ja, das ist witzig. Bei manchen Teilnehmern fragt man sich wirklich, haben die noch ein anderes Leben? Da hört es sich an, als wären sie mit der Bohne geboren, als wäre die Bohne ihr bester Freund von Kindesbeinen an gewesen. (alle lachen) Ja, so eine Kaffeepflanze kann man eigentlich ein ganzes Leben lang haben. Wenn man die nicht runterschneiden würde, kann die Pflanze bis zu 20 Meter wachsen. Die werden aber auf drei, vier Meter runter geschnitten und das kompensiert dann das Aroma.
Bei der Kaffeebohne handelt es sich um eine Kaffeekirsche und je nach Reife werden sie gepflückt und schmecken auch unterschiedlich. Sie haben unterschiedliche Säuregrade und diese unterschiedliche Säure macht bei der Röstung den Geschmack aus. So erhältst du die einzelnen Variationen der Aromen. Durch verschiedene Extraktionen kannst du bestimmte Aromen wieder herauskristallisieren. Kaffee hat übrigens mehr Aromen als Wein.
Das heißt dann auch, dass du für diese Meisterschaften bestimmte Nuancen suchst?
— Hm, du suchst dir natürlich ein paar Monate vorher deinen Kaffee aus und mit diesem Kaffee arbeitest du die ganze Zeit und versuchst das Beste rauszuholen. Du versuchst am besten mit verschiedenen Maschinen zu arbeiten, damit du weißt, wo die Unterschiede bei den jeweiligen Maschinen liegen. Du musst nicht nur Kenntnisse von dem Kaffee haben, sondern auch von der Maschine. Du weißt zwar, an welcher Maschine du arbeitest, aber du darfst vorher nicht testen. Da gibt es dann Unterschiede, vom Druck, vom Temperaturausgleich, …
Aber noch mal zurück zu deiner Meisterschaft. Was hast du bei der Präsentation erzählt?
— Na ja, das war eher Fun. Bei dem Jam ging es hauptsächlich um den Geschmack. Die Juroren haben den Kaffee probiert und dann bewertet.
Wie können die Juroren eigentlich nach dem dritten Kaffee noch den Geschmack erkennen?
— Das Ding ist halt, dass die Juroren der Meisterschaften am Tag vorher nicht wirklich essen und nur noch Wasser trinken. Damit sie den Geschmack eben nicht verfälschen und ansonsten trinken sie eigentlich auch nur Wasser – und Kaffee. Die Juroren sind am Ende einer Meisterschaft so richtig koffeingeschockt.
Schön am Zittern.
— Na ja, irgendwann gewöhnt sich der Körper daran (lacht).
Und dein Favorit?
— Eigentlich Cappuccino. Ich experimentiere auch viel herum. Zwischen einem dreifachen Espresso, den aber verkürzt. Es gibt halt Espresso und noch mal Espresso verkürzt oder doppelten oder einen dreifachen verkürzten. Es ist die gleiche Zeit, aber von der Wassermenge weniger. Oder die gleiche Wassermenge auf mehr Kaffee. Das Aroma ist bei einem verkürzten kompakter.
Und welche Kaffeesorte?
— Da bin ich noch am Feintuning. Das Problem ist, dass es so viele Namen gibt, die man erst einmal in den Kopf kriegen muss. Und dann gibt es noch von einer einzigen Plantage verschiedene Kaffeesorten. Das ist schwierig.
Du hast mal erwähnt, du willst die Welt verändern.
— (lacht) Ja und um die Welt zu verändern, muss man gucken, wo man Gehör finden kann. Und gerade beim Arbeiten mit Kaffee, beim Zubereiten oder auch einfach beim Kaffeetrinken entstehen Kontakte. Du lernst neue Leute kennen. Und ich denke, über Kaffee kann man viel erreichen. Ich habe jetzt gerade meine zweite Instanz bezüglich Kaffee erreicht. Das heißt, ich gebe auch Schulungen.
Was machst du da genau?
— Ich erzähle erst mal ein bisschen über Kaffee und gebe dann das Basiswissen über Kaffee und zur Geschichte weiter und dann kommen die Thematiken über die Zubereitung von Espresso-Spezialitäten, von Cortado, über Milchkaffee, über Cappuccino, Latte, …
Bereitet man dann auch zu?
— Je nachdem, wie die Möglichkeiten sind. Manchmal gucken die Leute mir zu und ich erkläre und bei anderen Barista-Schulungen wird dann auch zubereitet. Eine Mini-Barista-Schulung dauert etwa drei Stunden und ein Level 1 von der SCAE (Special Coffee Association Europe) mit Richtlinien acht Stunden mit einer Stunde Pause zwischendurch. Da lernt man auch das richtige Schäumen, wie man zum Beispiel einen Espresso zieht. Dann noch die Kaffeegeschichte und dann kommt der aktive Part. Dann kommt das nächste Level, wo es spezieller wird. Wie schäume ich die Milch auf für einen Cappuccino und wie für einen Latte und verschiedene Latte-Arten.
Gibt es anerkannte Zeugnisse oder Abschlüsse nach so einer Schulung?
— Ja, du kannst eine Zertifizierung bekommen, aber ich persönlich halte da nicht viel von. Entweder ich bin frei und mache es gut oder – ja, ich denke ich mache es besser, als wenn ich unter Druck stehen würde.
Ist man denn ohne Zertifikate in dem Business anerkannt und kann man an Meisterschaften auch ohne teilnehmen?
— An den Meisterschaften kannst du auch ohne teilnehmen. Du solltest allerdings schon Erfahrung haben.
Und auf welchem Level bist du jetzt?
— Nun ja, ich bin Barista. Das Ding ist, es gibt nicht den Beruf des Barista. Das ist wie beim Barkeeper. Eventuell kommst du durch Ausbildungen zur Hotelfachfrau- oder Fachmann dahin, aber ansonsten eher nicht. Du arbeitest dich da rein.
Gibt es so eine Art Barista-Guru?
— Wenn, dann bin ich das (lacht). Nein, eigentlich nicht. Es gibt viele Leute, nach denen sich andere richten, aber ich glaube dieses Guru-Ding hast du in Deutschland gar nicht so. Man sagt eher: Da und da gibt es guten Kaffee. Und jeder hat einen anderen Geschmack. Letzten Endes muss man gucken, wie die Begeisterung desjenigen ist, der den Kaffee zubereitet. Darauf kommt es für mich an. Außerdem habe ich eine extreme Zurückhaltung gegen Religion. Eher kontra Religion, pro Philosophie.
Möchtest du denn irgendwann mal die Stadt wechseln oder wäre das ein Problem für dich, in einer neuen Stadt zurechtzukommen?
— Ich weiß auf jeden Fall, dass ich keine Probleme hätte, wenn ich in eine andere Stadt ziehen würde und ein Netzwerk aufbauen müsste. Das könnte ich sofort. Das geht in diesem Bereich wirklich schnell. Ich kann auf Leute einfach gut zugehen und ich nehme jeden so, wie er ist. Ich denke, das ist ein Pluspunkt.
Arash Tabatabay ist Gewinner der Barista Jam 2014 im Hamburger Elbgold geworden.